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Prof. Dr. Burisch

Prof. Dr. Matthias Burisch

Burnout-Experte, Autor

Resilienz und Burnout

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Sein Hamburger Burnout-Inventar (HBI) ist der einzige validierte Burnout-Test in deutscher Sprache. Er ist über https://www.burnout-institut.eu/Burnout-Test.8.0.html zugänglich.

Prof. Dr. Matthias Burisch

Prof. Dr. Matthias Burisch (Jahrgang 1944) studierte Psychologie in Hamburg. Ab 1970 lehrte er dort hauptsächlich Methodenlehre, baute aber auch 1981 den Praxisschwerpunkt Organisations- und Personalentwicklung auf, den er bis 1992 und erneut 2006-2008 leitete. Seit 1978 ist er als Berater, Trainer, Entwickler und Moderator für verschiedene Organisationen im In- und Ausland tätig.

Burisch gründete 2008 das Burnout-Institut Norddeutschland (BIND), das sich der Burnout-Diagnose und Prophylaxe widmet (www.burnout-institut.eu).

Burisch veröffentlichte Studien zu Themen der psychologischen Testkonstruktion und zu methodischen Aspekten der Forschung, wurde jedoch besonders durch seine Untersuchungen zum Burnout-Syndrom bekannt. Er ist Autor des wissenschaftlichen Standardwerkes Das Burnout-Syndrom (5. Aufl. 2014, Springer-Verlag) sowie zahlreicher einzelner Studien zu diesem Thema.

2015 erschien im selben Verlag Dr. Burischs Burnout-Kur — für alle Fälle, eine allgemeinverständliche Selbsthilfe-Anleitung.

Resilienz und Burnout

Interview mal anders: Der Burnout-Experte Prof. Dr. Burisch hat die Fragen von Sebastian Mauritz in Textform beantwortet.

Das Video ist kostenlos am folgenden Tag verfügbar:

4. Tag: 13.03.2023

Das Interview ist im Rahmen des Kongresspaketes verfügbar

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Interview in Textform

Was ist für Sie als Burnout-Experte Resilienz?

In den 1990ern lief die Werbekampagne einer Uhrenmarke unter dem Slogan Don‘t crack under pressure — Brich unter Druck nicht zusammen. Das ist ziemlich genau der Bedeutungskern des Begriffs. Ich erinnere mich auch noch an die Fotos, mit denen der Slogan illustriert wurde: Sozusagen eisenharte Kerle, die es offenbar vor nix graute. Nun ist Resilienz sicher etwas erstrebenswertes für uns alle, „Nerven wie Stahlseile“ meinetwegen auch; ein Dasein als Prinz Eisenherz schon nicht mehr. Eher das Rühmkorf‘sche „Bleib erschütterbar und widersteh“. Denn Resilienz kommt ja von resilire, wörtlich zurückspringen in die Ausgangsform, wie ein unausgeleiertes Gummiband. Oder wie der Bambushalm, den der Sturm nicht bricht wie den Eichenstamm.

Menschen mit solchen Qualitäten nannte man früher Stehaufmännchen. In der Nachkriegsgeneration, die jetzt allmählich ausstirbt, gab es eine Menge von ihnen.

Mittlerweile werden unter dem Thema Resilienz auch andere Qualitäten verhandelt: Optimismus, Lösungskompetenz und Selbstverantwortlichkeit zum Beispiel. Also nicht nur sozusagen defensive Fähigkeiten.

Wie hängen für Sie Resilienz und Burnout zusammen?

Resilienz sollte im Idealfall davor schützen, überhaupt in einen Burnout-Prozess zu geraten. Denn idealerweise erkennt man ja schnell, ob ein Problem lösbar ist oder nicht. Was einen dann im ersteren Fall zur Lösung führt, im letzteren zum gelassenen Aufgeben, zum Sich-drein-Schicken ohne bleibende Schäden. Aber so ideal verläuft das Leben halt nicht immer. Es können jeder und jedem Dinge passieren, an denen sie oder er eine Weile zu knapsen hat.  Resiliente Menschen lernen daraus dann; sie machen nicht denselben Fehler immer wieder, und sie finden im Wiederholungsfall aus Sackgassen leichter heraus.

Kann man und wenn ja wie (aus Ihrer Erfahrung heraus) Resilienz trainieren?

Um die Jahrhundertwende herum habe ich einige Jahre lang an einer Ausbildungsgruppe von Psychotherapeuten teilgenommen. Ich erinnere mich noch, wie ich regelmäßig auf dem Heimweg gedacht habe: Gut, dass ich nur meine Sorgen habe! Es kann einen die eigenen Probleme distanzierter und realistischer sehen lassen, wenn man deutlicher sieht, womit andere sich herumschlagen. Zur Zeit beispielsweise in der Ukraine.

Aber noch stärker für Gruppenverfahren aller Art spricht aus meiner Sicht die Möglichkeit, Menschen bei ihrer Problembearbeitung zusehen zu können. Und in Gruppen findet dieses Lernen ja auch noch viel ökonomischer statt als in Einzeltherapien. Es ist ein Jammer, dass das Angebot an Therapiegruppen so schmal geworden ist.

Während meiner Schulzeit benutzten vor allem die Turnlehrer gerne den alten Nietzsche-Spruch „Was uns nicht umbringt, macht uns nur stärker“. Ich war kein guter Fußballer oder 100-m-Läufer und habe Leute gehasst, die mir mit solch sozialdarwinistischem Gedankengut kamen. Aber es ist natürlich Wahres dran. Nur sollten Herausforderungen möglichst an individuelle Grenzen angepasst kommen. Traumata pflegen das Gegenteil von Resilienz zu bewirken.

Ein Problem von Resilienz-Trainings ist sicher die Motivation. Solange die Krise in weiter Ferne liegt, sehen die Wenigsten einen Grund, sich vorbeugend mit so etwas zu beschäftigen. Es wird schon so ähnlich sein wie beim Schwimmen: Ma lernt es am besten im Wasser…

Aber es wird andererseits nicht schaden — und kann ja sehr vergnüglich sein —, etwas Passendes zu lesen. Ich habe vor nun schon einiger Zeit an dem Buch Der R-Faktor von Micheline Rampe mitgearbeitet; R steht für Resilienz. Die Tests darin und einiges andere sind von mir. Zum Beispiel der Tipp, sich eine Liste aller Sorgen anzulegen, die man hat. In aller Regel ist sie kürzer, als man gedacht hat; auch kommt man so leichter zu Lösungen. Und muss nicht permanent darüber grübeln, was eher schaden kann.

In welchen Phasen eines Burnouts geht das einfacher und welchen schwieriger.

Ganz am Anfang, wenn also die Falle noch nicht richtig zugeschnappt hat, ist es natürlich am leichtesten, Auswege zu finden. Der gerade auf den Arbeitsmarkt zusteuernden Generation wird ja nachgesagt, sofort das Handtuch (bzw. den Arbeitsvertrag) zu werfen, wenn die ersten Unannehmlichkeiten im Job auftreten. Ältere Generationen sehen da neidisch bis bewundernd zu. Als Abwechslung zur überall sonst vorherrschenden Allmacht von Chefs und Arbeitgebern wohl wirklich eine korrigierende Entwicklung, wenn mal die es sind, die sich umstellen sollen.

Aber man bleibt natürlich Dünnbrettbohrer, wenn man immer den Weg des geringsten Widerstandes geht, immer gleich das Weite sucht, wenn es schwierig wird. Resilienz entwickelt sich so eher nicht.

 

Wie differenzieren Sie Burnout-Prävention und Resilienztraining?

Prävention ist der umfassendere Begriff. Er umfasst alles, was den Brunnen sicherer macht, bevor jemand hineingefallen ist. Eine umfassende, erfolgreiche Primärprävention würde Resilienz überflüssig machen. Aber das ist nicht realistisch. Auch die sogenannten „überbehüteten“ Kinder werden in aller Regel irgendwann in ihre Krisen rutschen. Besser, man hat da schon ein bisschen Widerstandskraft, eine gewisse Resilienz aufgebaut.

Ich lese immer wieder, dass die augenblickliche Jugend vor nichts so viel Angst hat wie vor Burnout. Sie fürchten sich angeblich, „ein Burnout zu kriegen“, als wäre das so etwas wie eine Tuberkulose. Nochmal das Thema von gerade: Resilienz baut sich vor allem gegen etwas auf, gegen Herausforderungen, denen man nicht ausgewichen ist. Wenn also die Prävention übertrieben wird, kann sich auch nichts aufbauen. Das Leben ist nicht als Straflager konzipiert, schon klar. Aber ewig nur Ponyhof, das ist auch nicht realistisch.

 

Was sind die Top 3-5 Dinge, die zu einem Burnout führen?

Wenn man das Ganze aus ein wenig Abstand betrachtet, gibt es nur zwei Arten von Umständen: Nicht bekommen, was man will. Und: Bekommen, was man nicht will. Na, meinetwegen auch noch die Kombination aus beidem.

Nicht bekommen, was man will, nenne ich aktives Burnout. Betroffene haben sich in irgendein Ziel verbissen. Und scheitern an der Zielerreichung. Meine erste Erfahrung mit Burnout habe ich gemacht, als ich mir als Dissertationsthema ein Problem gesucht hatte, an dem sich sehr helle Köpfe schon einige Jahrzehnte lang die Zähne ausgebissen hatten. Es hat mich mehr als drei Jahre gekostet, zu dieser Einsicht zu gelangen. Und mit etwas Neuem anzufangen. Frauen setzen sich manchmal das Ziel, aus ihren Kerlen anständige (oder für sie genießbare) Menschen zu machen. Auch eine solche Erkenntnis von verlorener Liebesmüh kann sehr lange auf sich warten lassen; dann ist es oft zu spät.

Bekommen, was man nicht will, ist wahrscheinlich die häufigere Situation, passives Burnout. Die Einschränkungen, die Corona weltweit erzwungen hat, sind ein aktuelles Beispiel. Die Schulklasse, mit der die Lehrerin permanent nicht zurechtkommt, arrogante Ärzte oder undankbare Patienten, mit denen die Krankenschwester permanent nicht zurechtkommt, der neue Chef, mit dem die Sachbearbeiterin nicht zurechtkommt: Das sind Allerweltsbeispiele, die allerdings nur dann zu Burnout führen, wenn man sich weder abfinden noch etwas ändern noch weglaufen kann. Bei der Sachbearbeiterin mag das wegen der lokalen Arbeitsmarktlage so sein, bei der Lehrerin oder der Krankenschwester mögen es oft innere Verpflichtungen sein, die vom Flüchten und woanders Neuanfangen abhalten.

Nicht ganz selten werden Menschen nach einer Weile lösungsblind. An dieser Stelle kann Beratung helfen, Türen zu finden, die oft nicht einmal eingerannt werden müssen. Oder, bei den nicht oder nur schwer lösbaren Kalibern, helfen, sich gelassen abzufinden: Glücklich ist, wer vergisst, was halt nicht zu ändern ist…

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